Von Lügen zu sprechen setzt voraus, dass es Wahrheit gibt. Aber es gibt Wahrheiten und Wirklichkeiten. Manchmal überschneiden sie sich, manchmal nicht. Ist es dann eine Lüge, wenn ich von meiner Wirklichkeit spreche, die sich nicht mit der Wahrheit deckt? Gibt es vielleicht einen Unterschied zwischen Lüge und Unwahrheit?
Hat die Lüge, die bewusste Lüge immer ein Motiv? Oder geschieht sie einfach so?
Sobald ich mich an meinen Arbeitsplatz setze, habe ich einen nahezu unüberwindlichen Widerwillen dagegen zu arbeiten. Meine Aufgaben zu erledigen. Überhaupt in irgendeiner Weise produktiv zu sein. Ist das eine Lüge, oder nur eine Fehleinschätzung meiner Empfindungen durch mich selbst? Ist der Selbstzweifel eine Lüge, oder eine Strategie, die einmal sinnvoll war, aber längst überflüssig geworden ist?
Wenn ich mich selbst so geschickt belüge, dass ich auf meinen eigenen Lügen hereinfalle, sind es dann noch Lügen, oder einfach eine andere Wirklichkeit? Kann ein Mensch seine Lügen, Lebenslügen zumal, selbst aufdecken? Oder braucht er vielmehr immer andere, um zu erkennen, wo er von der Wahrheit abgewichen ist? Kann eine Lüge, können Lügen allgemein also nur aufgedeckt werden, wenn andere widersprechen?
Was unterscheidet eine Lüge vom Betrug? Wiegt Betrug schwerer als Lüge, oder ist es lediglich ein anderer Ausdruck für das gleiche Phänomen?
Wo liegt die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge? Was haben Lügen mit Grenzen zu tun? Eine Menge. Ganz offensichtlich verschieben sie die Grenzen zwischen dem was wahr ist, und dem anderen, das nicht der Wahrheit entspricht. Sie behaupten vielleicht sogar, dass es diese Grenzen gar nicht gibt.
Ich erinnere mich an eine Übung während einer psychosomatischen Kur. Wir sollten Grenzen um uns errichten. Es gab sehr viel ganz unterschiedliches Material. Kisten und Kissen, Stühle und Steine. Und Bauklötze, kleine Bauklötze aus Holz in unterschiedlichen
Farben. Rot und blau und grün und gelb, solche, die einfach Klötze waren und andere mit einer Öffnung, die Tore darstellten und Türen, etwas, das den Zutritt erlaubte. Ich baute ausschließlich aus diesem Material. Und was mir besonders in Erinnerung geblieben ist, worüber ich mich noch heute, mehr als 10 Jahre später, wundere, ist die Tatsache, dass ich sämtliche Rundungen und Öffnungen verbaut habe. Ich weiß bis heute nicht, warum ich das getan habe. Ich weiß aber, dass ich zeitlebens schlecht darin war und immer noch bin, mich abzugrenzen, mich zu schützen und eine Mauer zu errichten, die undurchlässig ist. Vielleicht wollte ich damals nur das zeigen, oder vielleicht hat mein Unbewusstes mir genau das verdeutlichen und aufzeigen wollen. Pass auf, deine Grenzen sind äußerst fragwürdig. Und hat damit auch die Grenze zwischen Lügen und Wahrheit gemeint. Denn ich bin relativ gut und geübt darin, Rollen anzunehmen, die Rolle als Mutter, als Ehefrau, als Studentin und Kellnerin, als Arbeitnehmerin usw. Was ich weniger gut kann, ist zu mir selbst zu stehen. Überhaupt zu spüren, was ich eigentlich will. Wer ich bin.
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